Cover Der Salon des Proletariats

Katharina Pecher-Havers: Der Salon des Proletariats. Die Narrative der Zitherkultur und ihre Erzählräume, Wien: Hollitzer Verlag, 2021 (Musikkontext 17), 556 S., 17 x 24 cm, Deutsch, Hardcover, mit Abbildungen

ISBN 978-3-99012-930-2 (hbk) € 50,00
ISBN 978-3-99012-931-9 (pdf) € 49,99

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Katharina Pecher-Havers

Der Salon des Proletariats

Die Narrative der Zitherkultur und ihre Erzählräume

Im Wien der 1920er-Jahre war die Zither ein beliebtes und verbreitetes Instrument, das solistisch und auch gemeinschaftlich in Vereinen gespielt wurde. Das Rote Wien propagierte das Zitherspiel als proletarische Alternative zum bildungsbürgerlichen Klavierspiel. Doch setzte sich dieses Narrativ nicht ganz durch, lebte doch die Zithergemeinschaft seit der Mitte des 19. Jahrhunderts unter Berufung auf Kaiserin Sisi im Glauben, ihr Instrument sei in der Aristokratie angekommen. Um dem einstmaligen „Lamentierbrettl“ der Harfenisten die Salon- und Hoffähigkeit aufzumontieren, war ein Nobilitierungsprozess in Gang gesetzt worden, der modernen Marketingstrategien kaum nachstand.
Auch wenn diese Bemühungen die Zither nicht in den professionellen Musikbetrieb bringen konnten, bewirkten sie die breite Annahme in einer Gesellschaftsschicht, die um Kulturteilhabe rang und sich durch Zitherspiel eigensuggestiv in den Salon träumte.
Dieser Band nimmt sich der Verwobenheit verschiedener Erzählstränge an, die sich um die Zither ranken und würdigt die gesellschaftspolitische Bedeutung des Instruments.

Informationen zur Reihe Musikkontext

 

Buchvorstellung im Deutschlandfunk Radio
(Christoph Vratz, 06.12.2021)

INHALT

Stilistische Vorbemerkungen

Vorwort des Herausgebers

Vorwort

Einleitung

Die Zitherkultur narratologisch betrachtet
 

Die Zitherkultur als Erzählgemeinschaft

Zitherspiel als Berufsfeld und Erwerbsquelle
    Das Berufsbild der Zitherspielenden
    Vom Musikanten zum Musiklehrer. Berufsmäßig Zitherspielende in Wien
    Die Erzählmotivation berufsmäßig Zitherspielender
    Plot und Publikum

Die Erzählräume
    Die Zielgruppe der Narration
    Der imaginäre Salon: Wiener Zithervereine um 1900

Erzählen als Agitation
    Die Institutionalisierung des Zitherspiels
    Parteienbildung in Wien
 

Die narrative Konstruktion der Zitherkultur

Nur ein Märchen? Die Zither in der Aristokratie
    Die Aschenbrödel-Metapher
    Kaiserin Elisabeth als Protektorin der Zither
    Der Wiener Hochadel als Publikum
    Wenn der Wastl die Prinzessin lehrt
    Die Zither auf Sommerfrische
    Mäzenatentum: Orden, Schenkungen, Widmungen

Die Nobilitierung der Zither
    „Luxusinstrument“ versus „Lamentierbrettl“
    Die „Zither in Tracht“
    Die „noble“ Zither
    „Salon“ und „Hütte“ als Raumkonstrukte
    Die Inflation des Elitären

Geschichtsschreibung als Mittel der Nobilitierung
    Motivation für Geschichtsschreibung
    Die Zither als „Urinstrument“
    Die „himmlische Zither“
    Die „klassische“ Zither
    Die Zither als „Kind der Alpe“
    Die „deutsche“ Zither
    Zithergeschichtsschreibung im Roten Wien

Die „Stars“ der Narration: Biographik im Zitherschrifttum
    Motive der Biographisierung
    Identitätskonzepte der „Fachkapazitäten“
    Topoi der biographischen Erzählung
        Genialität und Mysterium
        Zitherspieler als „Universalgenies“
        Der leidende Künstler
    Der Sozialstatus Zitherspielender in biographischer Beschreibung
    Wo bleiben die Frauen?
 

Die Zither zwischen Volk und Kunst

Das Programm zur „Hebung“ der Zither
    Der Zitherkunst-Begriff in seiner Wirkmächtigkeit
    „Volksmusik“ und „Hochkultur“ in der Deutung der Zithergemeinschaft

Die narrative Ausformung der „Concertfähigkeit“
    Vom Wirtshaustisch aufs Podium
    Die Zither im Wiener Konzertbetrieb
    „Virtuosentum“ versus „Dilettantismus“

Der „Salon für alle“:
Carl Umlauf und die Zither in Wiener Stimmung
    Carl Umlauf als Werbestratege
    Die Zither in Wiener Stimmung
        Der Freisaitenbereich der Zither in Wiener Stimmung
        Das „Steyrische G“, die Hilfssaite der Zither in Wiener Stimmung
        Kritik an der Zither in Wiener Stimmung
        Ein Volksinstrument mit Kunstanspruch?
        Parteinahme für und gegen Umlauf
        Das Ringen um die „Lückenlosigkeit“
    Die „Tür zur Hochkultur“: Carl Umlaufs Zitherschule
    Carl Umlaufs Salonkompositionen für Zither
    Die Zither als „Klavierersatz“

Die „Zitherkunst“
    Kunstanspruch als Exklusionsschranke
    Notierte Zithermusik
    Die Windbeutelei mit Musiktheorie
    Die formale Aufwertung der Zithermusik
    Der Verlust des „Volkstones“

„Volkskunst“: Ein narratives Paradoxon
 

Die Ensemblepraxis als Hemmnis der Narration

Das Ensemblespiel und seine Entwicklung
    Ensemblespiel in Zitherschulen und in Vereinen
    Ensemblekonzerte
    Das „Monstre-Concert“

Die Unvereinbarkeit von Ensemblespiel und Kunstanspruch
    Die narrative Diskreditierung des Vereinsmusizierens
    Strategien zur Aufwertung des Ensemblespiels
    Exklusive Vereine
 

Das „Proletarierinstrument“

Arbeiterzitherspiel im k.k. Wien
    Die Zither und die Arbeiterschaft: Ein konfliktbeladenes Verhältnis
    Wiener Arbeiterzithervereine bis 1914

Die „rote“ Zither: Arbeiterzitherspiel
im Wien der Ersten Republik
    Die politische Aufladung der Wiener Zitherkultur
    Marsch und Genrestück: Das Repertoire von Arbeiter-Zithervereinen
    Die ideologische Ambivalenz der Wiener Arbeiterzitherkultur
        Heinrich Pröll als Wahrer der Tradition
        Die Zithervereinsgeschichte in der Lesart von Heinrich Pröll

Die Zusammenführung der Arbeitermusikvereine
    Die Konsolidierung der Arbeiter-Mandolinen-Orchester
    Die Kollision der Narrationen
    Die politisch motivierte Rückführung zum „Volksinstrument“
 

Literatur- und Quellenverzeichnis

Musikalien
Zitherschulen und Lehrwerke
Literatur
Einzelnachweise
Internetlinks als Primärquellen
 

Bildnachweis